Unterhaltvollstreckung: Berücksichtigung der gesetzlichen Unterhaltspflichten in voller Höhe bei der Bemessung des pfandreien Betrags

BGH, Beschluss vom 05.08.2010 (Az.: VII ZB 101/09)

 

Stichworte:

 

Unterhaltsvollstreckung: Berücksichtigung der gesetzlichen Unterhaltspflichten in voller Höhe bei der Bemessung des pfandfreien Betrags

 

Einleitung:

 

§ 850 d ZPO begründet ein Pfändungsvorrecht Unterhaltsberechtigter. Der Unterhaltsberechtigte, der wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche in Geldforderungen des Unterhaltsverpflichteten gegen einen Drittschuldner vollstreckt, ist gemäß § 850 d ZPO gegenüber der Vollstreckung anderer Titel besser gestellt. Wegen des Pfändungsvorrechts Unterhaltsberechtigter ist das Einkommen des unterhaltsverpflichteten Schuldners ohne die Beschränkungen des § 850 d ZPO pfändbar. Man spricht daher auch von einer strengen Pfändung. Allerdings ist dem Schuldner gemäß § 850 d Abs. 1 Satz 2 ZPO der für seinen eigenen notwendigen Unterhalt und das zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten Erforderliche zu belassen: außer dem von den in § 850 a Nr. 1, 2 und 4 genannten Bezügen mindestens die Hälfte des nach § 850 a ZPO pfändbaren Betrags.

 

Ob bei der Bestimmung des pfandfreien Betrags nach § 850 d Abs. 1 Satz 2 ZPO die gesetzlichen Unterhaltspflichten in Höhe der tatsächlichen Unterhaltszahlungen oder in Höhe des gesetzlichen Anspruchs zu berücksichtigen sind, ist Gegenstand des Beschlusses des BGH vom 05.08.2010.

 

Die Entscheidung des BGH:

 

Nach Auffassung des BGH sind bei der Bestimmung des pfandfreien Betrags nach § 850 d Abs. 1 Satz 2 ZPO die gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen in Höhe des vollen dem Unterhaltsberechtigten zustehenden Unterhaltsbetrags zu berücksichtigen und nicht nur in Höhe desjenigen Betrags, den der Schuldner tatsächlich leistet. Der BGH führt aus, dass im Grundsatz die gesetzliche Unterhaltspflicht nur berücksichtigt werden kann, wenn der Unterhalt tatsächlich geleistet wird. Darauf aufbauend folgt der BGH der auch in der Literatur zum Teil vertretenen Auffassung, wonach der gesetzliche Unterhaltsanspruch der gesetzlich Anspruch und nicht die tatsächliche Unterhaltszahlung ist. Dafür spreche der Wortlaut sowie der Sinn und Zweck der Vorschrift des § 850 d Abs. 1 Satz 2 ZPO. Nach § 850 d Abs. 1 Satz 2 ZPO ist dem Schuldner „soviel zu belassen, als er … zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten … bedarf.“ Der Wortlaut spreche dafür, dass ohne Einschränkungen auf den Bedarf für die Erfüllung der den Schuldner treffenden Unterhaltspflichten abgestellt werde. Das für die Bestimmung des pfandfreien Betrags nur der Betrag maßgebend sein soll, den der Schuldner tatsächlich leiste, lasse sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Zudem sei Zweck der Regelung des § 850 d Abs. 1 Satz 2 ZPO, dass die dem vollstreckenden Unterhaltsgläubiger vorrangigen oder gleichstehenden Gläubiger durch die Vollstreckung nicht benachteiligt werden. Durch die Berücksichtigung des pfandfreien Betrags soll diesen weiteren Unterhaltsberechtigen die Möglichkeit eröffnet werden, ihren Unterhaltsanspruch in größtmöglichem Umfang realisieren zu können, entweder durch freiwillige Leistung des Schuldners oder im Wege der Zwangsvollstreckung. Beides sei nur dann gewährleistet, wenn dem Schuldner der für die Erfüllung seiner Unterhaltspflicht erforderliche Betrag ungeschmälert zur Verfügung stehe. Auch wenn er tatsächlich nur weniger leiste, muss den weiteren Unterhaltsberechtigten die Möglichkeit erhalten bleiben, ihren Unterhaltsanspruch durchzusetzen. Das wäre nicht der Fall, wenn nur der tatächlich geleistete Unterhalt bei der Bemessung des pfandfreien Betrags angesetzt würde. Eine andere Frage sei es dann noch, ob sich die Höhe der gesetzlichen Unterhaltspflichten des Schuldners nach dem angemessenen Unterhalt im Sinne von § 1610 Abs. 1 BGB richte oder nach dem notwendigen Unterhalt. Zu dieser Frage hat der BGH jedoch nicht Stellung genommen.

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