Gerichtskosten im Zusammenhang mit einem Strafverfahren sind keine Verbindlichkeiten aus unerlaubter Handlung

BGH, Urteil vom 16.11.2010 (Az.: VI ZR 17/10)

 

Stichworte:

 

Gerichtskosten im Zusammenhang mit einem Strafverfahren sind keine Verbindlichkeiten aus unerlaubter Handlung

 

Einleitung:

 

Die Insolvenzordnung sieht vor, dass redlichen Schuldnern die Gelegenheit gegeben werden soll, sich von ihren Verbindlichkeiten zu befreien. Voraussetzung ist, dass der Schuldner einen Antrag auf Restschuldbefreiung stellt. Der Antrag auf Restschuldbefreiung soll mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden. Die Durchführung des Insolvenzverfahrens ist Voraussetzung für die Restschuldbefreiung.

 

Nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens können die Insolvenzgläubiger ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner grundsätzlich unbeschränkt geltend machen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt für solche Forderungen, die von der Restschuldbefreiung erfasst werden. Ist der Schuldner eine natürliche Person (bei juristischen Personen gibt es keine Restschuldbefreiung), so wird er nach Maßgabe der §§ 287 bis 303 InsO von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit. Dem Schuldner soll damit ein Weg eröffnet werden, auf dem er sich nach dem Insolvenzverfahren von seinen restlichen Verbindlichkeiten befreien kann. Auf diese Weise soll ihm ein wirtschaftlicher Neubeginn ermöglicht werden.

 

Von der Möglichkeit der Restschuldbefreiung ausgenommen sind gemäß § 302 InsO Verbindlichkeiten, deren Erfüllung nach dem Willen des Gesetzgebers nicht infrage gestellt werden soll. Dazu zählen gemäß § 302 Nr. 1 InsO die Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich unerlaubten Handlung. Ob auch Forderungen von der Regelung in § 302 Nr. 1 InsO erfasst werden, deren Gegenstand Ansprüche auf Zahlung der Gerichtskosten aus Strafverfahren sind, ist Gegenstand des Urteils des BGH vom 16.11.2010.

 

Die Entscheidung des BGH:

 

Nach Auffassung des BGH werden Forderungen, deren Gegenstand Ansprüche auf Zahlung der Gerichtskosten aus Strafverfahren sind, von der Regelung in § 302 Nr. 1 InsO nicht erfasst. Für den Ausschluss der Restschuldbefreiung, so der BGH, genüge es nicht, dass die Kosten durch ein vorsätzliches Verhalten des Klägers veranlasst worden sind. Vielmehr setze der Tatbestand des § 302 Nr. 1 InsO voraus, dass die Verbindlichkeit auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht. Das bedeute, dass der Schuldner den Tatbestand einer unerlaubten Handlung etwa im Sinne der §§ 823 ff. BGB verwirklicht haben muss. Zu den von § 302 Nr. 1 InsO erfassten Verbindlichkeiten würden die aus einer solchen Tat folgenden Ersatzansprüche nicht zählen. Um einen solchen Ersatzanspruch handele es sich bei den Gerichtskosten nicht. Die dem Schuldner in einem Strafverfahren auferlegten Gerichtskosten würden nicht zu den Verbindlichkeiten aus unerlaubter Handlung im Sinne von § 302 Nr. 1 InsO zählen. Sie seien nicht Sanktion für begangenes Unrecht, sondern öffentliche Abgaben, die nach dem Veranlassungsprinzip auferlegt werden. Die Höhe der Auslagen hänge weder von der Schwere des Unrechts oder der Schuld noch von der Art und Höhe der Strafe ab, sondern allein von dem Aufwand des Strafverfahrens. Hinzu komme, dass der Gesetzgeber ausdrücklich zwar Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO gleichgestellten Verbindlichkeiten von der Restschuldbefreiung ausgenommen hat, diese Regelung aber nicht auf die Verfahrenskosten erstreckt hat. Wenn der Gesetzgeber auch die dem Angeklagten auferlegten Verfahrenskosten von der Restschuldbefreiung hätte ausnehmen wollen, hätte es nahegelegen, dies im Zusammenhang mit der in § 302 Nr. 2 i.V.m. § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO für Strafverfahren getroffenen Regelung ausdrücklich anzuordnen. Der Umstand, dass der Gesetzgeber von einer solchen Regelung abgesehen habe, belegt, dass der Gesetzgeber die Verfahrenskosten aus Strafverfahren insolvenzrechtlich nicht den in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO genannten Sanktionen gleichstellen wollte. Schließlich verbietet sich auch eine erweiternde Auslegung von § 302 InsO auf andere, möglicherweise schutzwürdige Forderungen.

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